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Migration und Kriminalität Erfahrungen und neuere Entwicklungen

Christian Walburg

/ 25 Minuten zu lesen

Von Migrantinnen und Migranten verübte Straftaten erfahren viel öffentliche Aufmerksamkeit. Eine einfache Formel für Zusammenhänge zwischen Migration und Kriminalität gibt es nicht, da die Zuwanderungsprozesse und Kriminalitätsphänomene höchst vielfältig sind.

Auch unter Migrantinnen und Migranten wird nur ein kleiner Teil straffällig. Allerdings fallen Migrantinnen und Migranten sowie teilweise auch deren Nachkommen insgesamt etwas häufiger mit Straftaten auf als Einheimische. Der alleinige Blick auf den Anteil ausländischer Staatsangehöriger in den Kriminalstatistiken vermag es nur bedingt, zu einem differenzierten Bild beizutragen. (© picture-alliance, imageBROKER | Arnulf Hettrich)

Hinweis

Der Beitrag wurde am 25. September 2020 veröffentlicht und am 3. Juli 2025 aktualisiert.

ZusammenfassungMigration und Kriminalität

  • Auch unter Migrantinnen und Migranten wird nur ein kleiner Teil straffällig. Allerdings fallen Migrantinnen und Migranten sowie teilweise auch deren Nachkommen insgesamt etwas häufiger mit Straftaten auf als Einheimische. Die Unterschiede sind zum Teil mit einer unterschiedlichen Alters- und Geschlechtszusammensetzung sowie mit belastenden Lebensumständen und ungünstigen Lebenserfahrungen (etwa mit Instabilität und Gewalt in manchen Herkunftsgesellschaften) zu erklären, von denen Zugewanderte tendenziell häufiger betroffen sind.

  • Der alleinige Blick auf den Anteil ausländischer Staatsangehöriger in den Kriminalstatistiken vermag es nur bedingt, zu einem differenzierten Bild beizutragen. Bei näherem Hinsehen geht es je nach Deliktsbereich um kleinere Teilgruppen, die sich nach Aufenthaltsstatus, Einwanderungszeitpunkt, sozialer Teilhabe, Herkunft und demografischer Zusammensetzung unterscheiden.

  • Erwachsene Migrantinnen und Migranten mit Aussicht auf Zugang zum Arbeitsmarkt fallen allgemein recht selten mit Straftaten auf.

  • Bei Gewaltdelikten von Geflüchteten spielen unter anderem Konflikte in Gemeinschaftsunterkünften, geringe soziale Bindungen, Belastungen durch die prekäre Lebenssituation sowie mögliche frühere Gewalterfahrungen und zuweilen auch traditionelle Männlichkeitsverständnisse eine Rolle.

  • Unter jungen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund war die Zahl der Straftaten lange Zeit deutlich rückläufig. Seit 2022 ergeben sich aus Kriminalstatistiken Hinweise auf einen Anstieg der Kriminalitätshäufigkeit bei einheimischen wie zugewanderten Kindern und Jugendlichen. Insbesondere mit Blick auf die Integration von Kindern aus neu zugewanderten Familien müssen Kindertagesstätten, Schulen und Jugendhilfe angemessen ausgestattet werden.

  • Aus kriminologischer Sicht kann sich ein migrationspolitisch motivierter Ausschluss mancher Zuwanderergruppen von Integrationsmöglichkeiten und -angeboten als risikoreich erweisen. Bei neu zugewanderten Flüchtlingen gilt es, gewaltbegünstigende Formen der Unterbringung, Phasen der Statusunsicherheit und Separierung von der Aufnahmegesellschaft zu vermeiden bzw. kurz zu halten.

Von Interner Link: Migrantinnen und Migranten verübte Straftaten erfahren in Zeiten hoher Zuwanderung große öffentliche Aufmerksamkeit. Interner Link: Kriminalität gilt häufig als Inbegriff von Integrationsproblemen. Generelle Verunsicherungen, die zum Beispiel von sozialem Wandel, globalen Ungleichheiten, ökonomischen Krisen, Kriegen und Konflikten in Nachbarregionen sowie von dadurch bedingten Migrationsprozessen ausgelöst werden, erhalten durch Berichte über von Zugewanderten verübte Straftaten einen konkret fassbaren Bezugspunkt.

Bei alledem sind bestimmte Formen der Zuwanderung, insbesondere die Fluchtmigration, für die zuwandernden Menschen zunächst einmal mit dem Risiko verbunden, selbst Opfer einer Straftat zu werden. Dies beginnt bei repressiven und brutalen Regimen und (Bürger-)Kriegsparteien in den Herkunftsländern und kann sich während und nach der Flucht in Transit- und Zielländern mit Interner Link: finanzieller Ausbeutung, Gewalt und sexuellen Übergriffen durch Schlepper, Sicherheitskräfte oder in Flüchtlingslagern fortsetzen. Dort können Zugewanderte zudem fremdenfeindlichen Anfeindungen und Übergriffen ausgesetzt sein.

In den Aufnahmegesellschaften wird der Blick hingegen häufig auf Kriminalität als mögliche Folge von Zuwanderung gerichtet. Dies lässt sich auch im Zusammenhang mit dem Zuzug einer außergewöhnlich hohen Zahl an Asylsuchenden in den Jahren 2015/2016 sowie seit 2022 beobachten. Über Straftaten, an denen Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten beteiligt sind, wird besonders intensiv berichtet – und sie bestärken Bedenken, ob die Zuwanderungsprozesse bewältigt werden können. Daneben gibt es Sorgen, dass die Unterstützung und Akzeptanz für Geflüchtete in der Gesellschaft abnehmen könnten – etwa durch Vorfälle wie die Interner Link: Übergriffe in der Silvesternacht 2015/16 in Köln, die mutmaßlich terroristisch motivierten Attentate in Mannheim und Interner Link: Solingen 2024 oder den tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg zu Beginn des Jahres 2025, an denen jeweils Schutzsuchende beteiligt waren.

Keineswegs neu ist der Umstand, dass politische Akteure im In- und Ausland das emotional besetzte Thema Kriminalität nutzen, um Ängste und Ressentiments gegenüber Migrantinnen und Migranten zu schüren. Mit Bezugnahme auf einzelne, aber viel diskutierte Vorfälle massiver Gewalt zeichnen sie das verzerrte Bild eines Landes, in dem beständig immer mehr Straftaten verübt werden. Bei diesen Akteuren steht das Thema Kriminalität im Mittelpunkt einer allgemeinen Krisen- und Notstandsrhetorik – auch, um damit immer restriktivere Maßnahmen der Migrationsabwehr zu fordern. In den letzten Jahren hat sich in diesem Zusammenhang, nicht zuletzt durch neue Kommunikationsformen im Internet, ein regelrechter Kampf um die Deutungshoheit über seit jeher in hohem Maße interpretationsbedürftige offizielle Kriminalstatistiken entwickelt.

In dieser besonderen Gemengelage lohnt ein Blick auf klassische und neuere Befunde aus wissenschaftlichen Untersuchungen zu Zusammenhängen zwischen Migration und Kriminalität. Anders als teilweise unterstellt, ist dieses Thema keineswegs wissenschaftlich tabuisiert, sondern seit Jahrzehnten Gegenstand kriminologischer Studien und Debatten. Die Antworten auf Fragen nach den Auswirkungen von Zuwanderungsprozessen auf das Kriminalitätsgeschehen, nach der Kriminalitätsbeteiligung von Migrantinnen und Migranten sowie nach entsprechenden Ursachen sind jedoch komplex. Denn Migrationsprozesse, Zuwanderergruppen und Aufnahmebedingungen in den Ankunftsländern sind ebenso vielfältig wie Formen strafbaren Verhaltens: Es gibt weder „die Migrantinnen und Migranten“, noch „die Kriminalität“. Gleichwohl lassen sich aus der Forschung und aus aktuellen Eindrücken aus Kriminalstatistiken bestimmte Grundmuster und Tendenzen erkennen. Soweit es um aktuelle Trends geht, beziehen sich die Ausführungen im Folgenden überwiegend auf die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS).

Die Polizeiliche Kriminalstatistik

In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) werden grundsätzlich alle Fälle erfasst, die der Polizei durch Anzeigen oder eigene Kontrollmaßnahmen bekannt geworden sind. Man spricht hier auch vom sogenannte Hellfeld der Kriminalität. Über Straftaten, die der Polizei nicht bekannt geworden sind – das Dunkelfeld der Kriminalität –, können anhand der PKS keine Aussagen getroffen werden. In vielen Deliktsbereichen wie etwa Betrugs-, Körperverletzungs- und Sexualdelikten ist davon auszugehen, dass das Dunkelfeld erheblich größer ist als das Hellfeld. Die PKS bildet hier auch nicht ohne Weiteres einen repräsentativen Ausschnitt aller tatsächlich verübten Straftaten, da zum Beispiel schwerere Straftaten eher angezeigt werden als leichtere Delikte, im öffentlichen Raum verübte Gewalt- und Sexualdelikte häufiger als solche im häuslichen Umfeld, und beispielsweise Wirtschaftsstraftaten in der Regel weniger auffallen als etwa Raubdelikte.

Soweit die Polizei Beschuldigte ermitteln konnte, werden auch Angaben zu den Tatverdächtigen aufgenommen. Nicht in der PKS enthalten sind unter anderem Staatsschutzdelikte, viele Straßenverkehrsdelikte sowie Delikte außerhalb des Aufgabenbereichs der Polizei wie beispielsweise Steuerstraftaten. Auch Angaben zum Motiv einer (Gewalt-)Tat sind nicht in der PKS enthalten. Die PKS ist eine sogenannte Ausgangsstatistik, d.h.: Nicht der Zeitpunkt der (möglichen) Tatbegehung oder Anzeigeerstattung, sondern der Abschluss der polizeilichen Ermittlungen ist für die Aufnahme in die jeweilige Jahresstatistik entscheidend. Die PKS ist zudem eine Verdachtsstatistik, d.h.: Sie gibt keine Auskunft darüber, ob sich der durch die polizeilichen Ermittlungen vorliegende Tatverdacht im weiteren Verfahren bestätigt hat und es etwa zu einer Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft sowie zu einer Verurteilung durch ein Gericht gekommen ist.

Diese Grenzen der Aussagekraft der PKS sind insbesondere auch für das Thema Migration und Kriminalität relevant. Für ein angemessenes Lagebild zur Verbreitung und Entwicklung der Kriminalität werden daher in der Regel auch weitere Datenquellen berücksichtigt, insbesondere die Strafverfolgungsstatistik mit Zahlen zu gerichtlich Verurteilten sowie repräsentative Bevölkerungsbefragungen zur Häufigkeit der Opfer- und Täterwerdung nach Selbstangaben der Befragten. Mit solchen Befragungen kann auch das Dunkelfeld der nicht offiziell bekannten Delikte zumindest zum Teil „aufgehellt“ werden. Soweit die Strafverfolgungsstatistik und Dunkelfeldbefragungen für das Thema Migration und Kriminalität relevant und aussagekräftig sind, werden auch diese im Folgenden in die Betrachtung einbezogen.

Deutsche und ausländische Staatsangehörige in Kriminalstatistiken

Migrantinnen und Migranten sind in westeuropäischen Gesellschaften unter den polizeilich erfassten Tatverdächtigen, den gerichtlich Verurteilten und den Strafgefangenen überrepräsentiert. In vielen Ländern, so auch in Deutschland, lässt sich die Registrierungshäufigkeit von Migrantinnen und Migranten – also die Zahl der polizeilich erfassten Tatverdächtigen im Verhältnis zur jeweiligen Bevölkerungszahl, zum Beispiel pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner – allerdings nicht direkt aus Kriminalstatistiken ablesen, weil darin meist nicht das Geburtsland ausgewiesen wird. Es lassen sich jedoch zumindest Aussagen zur Registrierungshäufigkeit der ausländischen Bevölkerung treffen, das heißt zu Menschen, die keine deutsche Staatsangehörigkeit haben. Dabei ist im Blick zu behalten, dass diese Gruppe nicht mit der zugewanderten Bevölkerung identisch ist: 2024 hatten 34 Prozent der im Ausland Geborenen etwa als Interner Link: (Spät-)Aussiedlerinnen und Aussiedler oder eingebürgerte Arbeitsmigrantinnen und -migranten und Geflüchtete die deutsche Staatsangehörigkeit. Unter den im Inland geborenen Nachkommen von Eingewanderten gilt dies mit 81 Prozent für die große Mehrzahl. Nicht alle Migrantinnen und Migranten(-nachkommen) sind also ausländische Staatsangehörige.

Zudem finden sich unter den ausländischen Tatverdächtigen – neben nicht eingebürgerten Migrantinnen und Migranten bzw. Nachkommen von Eingewanderten ohne deutsche Staatsbürgerschaft – auch Menschen, die sich etwa als Touristinnen und Touristen, Durchreisende oder gezielt zur Begehung von Straftaten nur vorübergehend in Deutschland aufhalten. Es handelt sich also auch nicht bei allen tatverdächtigen ausländischen Staatsangehörigen, die in den Kriminalstatistiken erfasst sind, um im Inland lebende und in der hiesigen Bevölkerungsstatistik erfasste Menschen mit eigener oder elterlicher Migrationsgeschichte.

Ausländische und deutsche Tatverdächtige sowie Tatverdächtige mit Migrationshintergrund (schematische Darstellung) (© Christian Walburg)

Bei den „nichtmigrantischen“ ausländischen Tatverdächtigen geht es durchaus um eine relevante Gruppe. Laut PKS hatten im Jahr 2024 insgesamt 9,6 Prozent der ermittelten ausländischen Tatverdächtigen – ohne ausländerrechtliche Verstöße wie Einreise und Aufenthalt ohne erforderliches Visum oder Aufenthaltstitel – ihren Wohnsitz im Ausland. Bei 14,1 Prozent der ausländischen Tatverdächtigen konnte die Polizei zudem keinen (festen) Wohnsitz ermitteln. All dies betrifft vor allem Diebstahlsdelikte. Bei Kfz-Diebstählen betrug der Anteil der ausländischen Tatverdächtigen mit Wohnsitz im Ausland an allen ausländischen Tatverdächtigen 26,9 Prozent. Beim Taschendiebstahl lag der Anteil der ausländischen Tatverdächtigen, bei denen kein (fester) Wohnsitz festgestellt werden konnte, mit 45,1 Prozent besonders hoch. Hier werden also oft ausländische Tatverdächtige ermittelt, die keinen stabilen und offiziell gemeldeten Aufenthalt in Deutschland aufweisen.

Die häufig vorgenommene pauschale Gegenüberstellung des Anteils ausländischer Tatverdächtiger an allen ermittelten Tatverdächtigen (für alle Delikte ohne ausländerrechtliche Verstöße 2024: 35,4 Prozent) mit dem Anteil der ausländischen Staatsangehörigen in der Bevölkerungsstatistik (zu Jahresbeginn 2024: 14,5 Prozent) ergibt daher ein unzutreffendes, überhöhtes Bild der Tatverdächtigen-Registrierungshäufigkeit von hier lebenden und als wohnhaft gemeldeten Ausländerinnen und Ausländern.

Entwicklung von Zuwanderung und Anteil der ausländischen Tatverdächtigen

Im längerfristigen Trend unterliegen die absolute Zahl der ausländischen Tatverdächtigen sowie der Ausländeranteil an allen Tatverdächtigen erheblichen Schwankungen. Diese hängen eng mit jeweils neuen armuts- oder kriegsfluchtbedingten Zuwanderungsprozessen und zum Teil auch mit Veränderungen bei grenzüberschreitenden Diebstahlsdelikten zusammen. Mit der deutlichen Zunahme der Zuwanderung nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes und mit dem Ausbruch der Jugoslawienkriege stieg die Zahl und der Anteil der ausländischen Tatverdächtigen ab Ende der 1980er Jahre erheblich an und erreichte Anfang der 1990er Jahre einen Höchststand. Nach 1993 sank der Anteil dann wieder kontinuierlich und erreichte bis 2008 mit 20 Prozent (Diebstahlsdelikte) bzw. 23,5 Prozent (Gewaltdelikte) in etwa den Wert von 1987. Seit 2008 hat die Zuwanderung nach Deutschland wieder stark zugenommen; die ausländische Bevölkerung hat sich seitdem in etwa verdoppelt, von 6,7 Mio. auf zuletzt etwa 14,1 Mio. Menschen. Dadurch – und durch die sinkenden Tatverdächtigenzahlen unter Deutschen in diesem Zeitraum – ist der Ausländeranteil in der Polizeilichen Kriminalstatistik zuletzt wieder deutlich gestiegen und lag 2024 bei 45,5 Prozent für Diebstahlsdelikte bzw. 43,1 Prozent für Gewaltdelikte.

Der Anstieg der absoluten Zahl und des Anteils der ausländischen Staatsangehörigen unter den Tatverdächtigen bedeutet nicht, dass Ausländerinnen und Ausländer insgesamt häufiger Straftaten begehen als früher: Pro Kopf werden „Ausländer“ heute nicht öfter wegen Straftaten erfasst als vor 15 Jahren. Für die ausländische Bevölkerung, die schon länger in Deutschland lebt, zeigte sich – ähnlich wie bei der deutschen Bevölkerung – in den letzten 20 Jahren in vielen Deliktsbereichen eher ein Rückgang.

Relative Zahl der deutschen und ausländischen Tatverdächtigen im Vergleich

Die Entwicklung der relativen Registrierungshäufigkeit in der deutschen und ausländischen Bevölkerung lässt sich neuerdings für den Zeitraum seit 2009 aus der PKS ablesen. Die Tatverdächtigenquote in der nichtdeutschen Bevölkerung lag demnach 2009 bei knapp 4,9 Prozent und ist in den Jahren 2015 und 2016, also in der Phase des erheblichen Zuzugs von Geflüchteten, auf 6,1 Prozent angestiegen. In den Folgejahren ist die Quote dann wieder auf das Ausgangsniveau von 2009 zurückgegangen. In der deutschen Bevölkerung vollzog sich im Zeitraum von 2009 bis 2024 ein Rückgang der Tatverdächtigenquote von 2,4 Prozent auf 1,9 Prozent. Dies dürfte unter anderem auf den fortschreitenden demografischen Wandel – mit einer zunehmenden Alterung der deutschen Bevölkerung – zurückzuführen sein.

Unter Berücksichtigung der erheblichen Zunahme der Bevölkerungszahl lässt sich festhalten, dass sich die polizeilich erfasste Kriminalitätshäufigkeit in der nichtdeutschen Bevölkerung nicht wesentlich verändert hat und momentan wieder deutlich niedriger liegt als 2015/2016. Der alleinige Blick auf gestiegene absolute Tatverdächtigenzahlen ergibt also ein verzerrtes Bild der Kriminalitätsentwicklung in dieser zuletzt deutlich größer gewordenen Bevölkerungsgruppe.

Bei solchen Gesamtvergleichen sind zum Teil erhebliche soziodemografische Unterschiede zwischen den betrachteten Gruppen zu berücksichtigen. Ein gewisser Teil der häufigeren Registrierung von ausländischen Staatsangehörigen ist darauf zurückzuführen, dass diese Bevölkerungsgruppe anteilig mehr junge Männer und zum Beispiel weniger Frauen im Seniorenalter aufweist als die deutsche Bevölkerung. Bei Männern im Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenalter sind aber in allen Gesellschaften und zu allen Zeiten die höchsten Kriminalitätsraten zu beobachten. Besonders bedeutsam ist dieser Umstand bei der Einordnung der Tatverdächtigenhäufigkeit von in den letzten Jahren zugezogenen Asylsuchenden, unter denen sich erheblich mehr Männer in einem „kriminologisch relevanten“ Alter befanden als in der Gesamtbevölkerung. Der Unterschied zur Tatverdächtigenquote in der deutschen Bevölkerung lässt sich zwar nicht allein mit der abweichenden Alters- und Geschlechtsverteilung erklären, er reduziert sich jedoch bei Kontrolle dieses Faktors erheblich.

Überdies ist bei der Betrachtung dieser Gesamtraten zu berücksichtigen, dass die migrantische Bevölkerung ausgesprochen heterogen ist. Die ausländische pauschal der deutschen Bevölkerung gegenüberzustellen, gibt keine genaueren Aufschlüsse über etwaige Besonderheiten und möglicherweise auch gegenläufige Entwicklungen in kleineren Teilgruppen.

Entscheidend zur Erklärung der Unterschiede in der Tatverdächtigenhäufigkeit sind nicht etwa die Staatsangehörigkeit oder Herkunft als solche. In der Interner Link: kriminologischen Forschung lässt sich grundsätzlich beobachten, dass sich belastende Lebensumstände und -erfahrungen kriminalitätsbegünstigend auswirken können. Hierzu zählen insbesondere eine prekäre Lebenssituation und geringe soziale Einbindung sowie persönliche Erfahrungen mit Gewalt und Instabilität. Von ebendiesen Faktoren sind manche migrantische Herkunftsgruppen etwas stärker als die einheimische Bevölkerung betroffen.

Hellfeld: Anzeigeverhalten und Polizeikontrollen

Von Bedeutung ist noch ein weiterer grundlegender Aspekt: Offizielle Kriminalstatistiken bilden nur einen Teil aller strafbaren Verhaltensweisen ab. Erfasst wird das sogenannte Hellfeld der Kriminalität. Das bedeutet: Es werden diejenigen Vorkommnisse dokumentiert, die der Polizei und Justiz vor allem durch Anzeigen sowie zu einem kleineren Teil auch durch proaktive Tätigkeit der Behörden bekannt geworden sind und von den Instanzen zum Zeitpunkt der statistischen Erfassung – bei der Polizei bei Abgabe der Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft – als wahrscheinlich strafbar beurteilt worden sind. Ein Vergleich der „tatsächlichen“ Kriminalitätsbeteiligung verschiedener sozialer Gruppen – zum Beispiel jüngere und ältere, ärmere und reichere oder zugewanderte und nicht zugewanderte Menschen – auf Basis offizieller Statistiken setzt daher voraus, dass die Wahrscheinlichkeit, dass strafbares Verhalten entdeckt, angezeigt und offiziell registriert wird sowie anschließend zu einer Verurteilung führt, in den entsprechenden Gruppen annähernd gleich hoch ist. Davon ist jedoch nicht immer ohne Weiteres auszugehen.

Anzeigeverhalten

Im Zusammenhang mit Migration haben Befragungsstudien zum Beispiel gezeigt, dass die Entscheidung eines jugendlichen Opfers einer Gewalttat, Strafanzeige zu erstatten, neben vielen anderen Faktoren, wie der Tatschwere oder der persönlichen Bekanntschaft mit dem Täter, auch davon abhängt, ob der Täter als „fremd“ wahrgenommen wird. Für Minderheitenangehörige kann sich daraus insgesamt eine erhöhte Wahrscheinlichkeit ergeben, wegen einer Straftat angezeigt zu werden. Wie stark der Faktor „fremd“ wirkt, lässt sich dabei nicht pauschal bestimmen. Er dürfte aber bei leichteren Delikten stärker zum Tragen kommen als bei schwersten Taten, bei denen bereits der Faktor der Tatschwere eine Anzeigeerstattung nahelegt. Umgekehrt bleibt im Blick zu behalten, dass strafbares Verhalten innerhalb vergleichsweise abgeschlossener Milieus, die es (auch) unter Zugewanderten zum Teil gibt, besonders selten nach außen dringt.

Häufigkeit von Polizeikontrollen

Inwieweit Menschen ausländischer Herkunft häufiger polizeilich kontrolliert werden, wurde bislang in Deutschland wenig untersucht. Bekannt gewordene Fälle und europaweite Befragungen unter Minderheitenangehörigen deuten indes darauf hin, dass es zuweilen zu Personenkontrollen kommt, die sich primär auf äußerliche Merkmale stützen, sogenanntes Interner Link: Racial/Ethnic Profiling. Dabei spielen auch gesetzliche Vorschriften eine Rolle, die anlass- und verdachtsunabhängige Kontrollen etwa im Zugverkehr zur Feststellung illegaler Einreisen ermöglichen.

Nach einer neueren Befragungsstudie werden Menschen mit „phänotypischer Differenz“ etwas häufiger von der Polizei kontrolliert als Menschen, die nicht als „fremd“ wahrgenommen werden. Es ließ sich auch dann noch ein Unterschied feststellen, wenn jeweils nur Personen mit gleichem Geschlecht, Alter, Bildungsabschluss und Familienstand verglichen wurden. Hierbei ist zu beachten, dass die Studie auf subjektiven Erfahrungen und Selbstberichten von kontrollierten Personen beruht. Es lässt sich nicht vollständig ausschließen, dass die größere Kontrollhäufigkeit zumindest teilweise auf unterschiedlichen Alltagsroutinen, zum Beispiel einem vermehrten Aufenthalt mancher Minderheitenangehöriger an bestimmten öffentlichen Orten mit einer allgemein erhöhten Kontrolldichte (etwa an Bahnhöfen) beruht. Die Befunde sind gleichwohl ein wichtiger Indikator und mahnen zu einer größeren Sensibilität für mögliche diskriminierende Kontrollpraktiken.

Justizielle Entscheidungen

Im Hinblick auf Entscheidungen von Staatsanwaltschaften und Gerichten gibt es insgesamt keine ganz einheitlichen Befunde bezüglich einer möglichen Benachteiligung von ausländischen Staatsangehörigen und Zugewanderten. Eine Studie aus dem Jahr 2010 ergab allerdings Hinweise auf eine etwas härtere Strafzumessung gegenüber ausländischen Angeklagten, vor allem solchen aus Nicht-EU-Staaten. Die Unterschiede waren 2010 aber geringer als noch im Jahr 1998. Seit Langem ist außerdem erkennbar, dass bei ausländischen Beschuldigten eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass während des Strafverfahrens Untersuchungshaft angeordnet wird, da hier erheblich häufiger Fluchtgefahr angenommen wird.

Insgesamt lassen sich mit Blick auf die Bereitschaft zur Anzeigeerstattung, die polizeiliche Arbeit und justizielle Entscheidungen Hinweise auf Verzerrungen zu Lasten von ausländischen Staatsangehörigen beziehungsweise Migrantinnen und Migranten beobachten. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass unterschiedliche Registrierungshäufigkeiten allein mit unterschiedlichen Anzeigehäufigkeiten, intensiveren polizeilichen Kontrollen oder auch Unterschieden in der Strafzumessung zu erklären sind.

Unterschiede im Generationenverlauf

Die Gesamtregistrierungshäufigkeit und der Gesamtanteil ausländischer Staatsangehöriger an allen Tatverdächtigen sind für sich genommen wenig aussagekräftig. Dies beruht zum einen auf dem bereits angeführten Umstand, dass viele Migrantinnen und Migranten(-nachkommen) keine Ausländerinnen und Ausländer und manche ausländischen Tatverdächtigen keine Zugewanderten sind. Neue Zuwanderungsprozesse – gegenwärtig beispielsweise von syrischen oder ukrainischen Geflüchteten – lassen sich durch das Merkmal der Staatsangehörigkeit jedoch noch vergleichsweise gut abbilden. Hinzu kommt aber, dass zugewanderte Menschen, ebenso wie Nichtmigrantinnen und -migranten, keine homogene Gruppe sind. Die dahinterstehenden Zuwanderungsprozesse und damit verbundenen Lebenslagen sind höchst vielfältig. Dementsprechend ist auch mit Bezug auf Kriminalität, die es ebenfalls in sehr unterschiedlichen Facetten gibt, zu differenzieren.

So hat sich im In- und Ausland wiederholt gezeigt, dass Migrantinnen und Migranten der ersten Generation, das heißt Menschen, die selbst im Erwachsenenalter zugewandert sind, vergleichsweise selten mit Straftaten auffallen. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Chance auf Zugang zum Arbeitsmarkt besteht. In Deutschland war dies beispielsweise bei den sogenannten Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern und später für im Erwachsenenalter zugewanderte (Spät-)Aussiedlerinnen und Aussiedler zu beobachten. Angesichts zunächst oft geringer sozialer Bindungen und Teilhabe mag ein solches Ergebnis überraschend erscheinen. Erklärt wird es häufig damit, dass bei im Erwachsenenalter Zugewanderten oft eine hohe Motivation besteht, Fuß zu fassen und das Migrationsvorhaben nicht durch Straftaten zu gefährden. Zugleich ist das Alter relevant. Denn die in vielen Fällen durchaus einschneidende Migrationserfahrung vollzieht sich in einem Lebensalter, in dem die Persönlichkeitsentwicklung und die Normsozialisation bereits im Wesentlichen stattgefunden haben. Ein „Einstieg in die Kriminalität“ erst in der dritten oder gar vierten Lebensdekade ist nach Erkenntnissen der kriminologischen Verlaufsforschung generell wenig wahrscheinlich.

Delinquenz bei jungen Zugewanderten bzw. Migrantennachkommen

Jugendliche Migrantinnen und Migranten oder Nachkommen von Zugewanderten, d.h. Angehörige der sogenannten zweiten Generation, fallen in westeuropäischen Ländern tendenziell häufiger mit Straftaten auf als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Wiederholte und schwere Straffälligkeit betrifft allerdings auch unter Jugendlichen aus Migrantenfamilien nur einen kleinen Teil. Erhöhte Täteranteile sind bei alledem nicht auf ein bestimmtes Herkunftsland oder eine einzelne religiöse Gruppe beschränkt.

Als direkte Erklärungsfaktoren gelten – wie auch bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund – eine geringe Selbstkontrolle, zu Regelverstößen neigende Freundeskreise sowie – teilweise dadurch bestärkt – eine geringe Normbindung. All dies wird durch ein Aufwachsen unter den Bedingungen sozialer Benachteiligung begünstigt. So ist beispielsweise ein „Code of the Street“ länder- und kulturübergreifend vermehrt bei marginalisierten jungen Männern (gegebenenfalls aus benachteiligten Stadtvierteln) zu beobachten. Dabei wird Gewaltbereitschaft zur Schau gestellt, um eigene Stärke und Durchsetzungsfähigkeit zu demonstrieren und dadurch Selbstwert und Anerkennung in der Gruppe zu erlangen. Ein solches Verhalten wird durch soziale Randständigkeit und schlechte Bildungs- und Berufsperspektiven befördert, aber auch durch geringe Zuwendung sowie zum Teil durch eine gewaltsame Erziehung durch die Eltern.

Diese Faktoren beeinflussen sowohl Jugendliche ohne Migrationshintergrund als auch Jugendliche aus Einwandererfamilien, wobei Letztere davon etwas häufiger betroffen sind. Bei Jugendlichen ausländischer Herkunft können zusätzlich eigene oder innerfamiliäre Schwierigkeiten bei der Eingewöhnung in eine neue kulturelle Umgebung sowie Erfahrungen von Ausgrenzung das Gefühl verstärken, nicht dazuzugehören. Auch dies kann zur Entstehung abweichender Normorientierungen, Selbstbilder und Lebenswege beitragen. Zusätzliche Risiken können sich in manchen neu zugewanderten Migrantenfamilien aus besonders begrenzten Möglichkeiten der Eltern ergeben, ihre Kinder zu fördern und zu beaufsichtigen, sowie aus besonders tradierten Interner Link: Vorstellungen von Männlichkeit.

Bei Jugendlichen, deren Eltern bereits im Inland aufgewachsen sind und die zur dritten oder vierten Migrantengeneration gehören, werden mit einer voranschreitenden Integration und beispielsweise deutlich rückläufigen Schulabbrecherquoten auch die Kriminalitätsrisiken deutlich geringer.

Anstieg der Jugendkriminalität?

Nach einem erheblichen Rückgang der Jugenddelinquenz zwischen Mitte der 2000er Jahre und 2015 war zuletzt in den Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik ein Anstieg der Tatverdächtigenhäufigkeit in der Altersgruppe der 12- bis 15-Jährigen bei Gewaltdelikten zu erkennen. Auch die Zahl der jungen ausländischen Tatverdächtigen hat wieder stärker zugenommen. Dies hängt zum Teil mit einer deutlichen Vergrößerung dieser Bevölkerungsgruppe durch Zuzug etwa aus der Ukraine, aber auch mit einer größer werdenden zweiten Generation von hier aufwachsenden Nachkommen der um 2015 zugewanderten Geflüchteten zusammen.

In Schülerbefragungen zum Dunkelfeld der nicht offiziell erfassten Gewaltvorfälle aus dem Zeitraum bis 2021/22 war noch kein größerer Anstieg der Jugendgewalt zu erkennen; ähnliches gilt für die bei den Unfallkassen gemeldeten Raufunfälle an Schulen. In Befragungsstudien hatte sich zuletzt aber wieder eine etwas gestiegene Gewaltakzeptanz unter Jugendlichen gezeigt. Solche Befunde, aber auch die Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik, geben Anlass, die Maßnahmen zur Gewaltprävention zu verstärken sowie Kindertagesstätten, Schulen und Jugendarbeit für ihre in diesem Zusammenhang zentrale Arbeit angemessen auszustatten.

Diebstahlsdelikte und Gewaltdelikte nach Herkunft und im Generationenverlauf

Die ehemaligen Arbeitskräfte aus Mittelmeeranrainerstaaten („Gastarbeiter/-innen“) und ihre Nachkommen sind vergleichsweise selten mit Diebstahlsdelikten aufgefallen. Andere Gruppen wurden und werden hingegen überdurchschnittlich häufig wegen Diebstählen registriert. Gründe für höhere Tatverdächtigenanteile etwa unter Zugewanderten aus Südosteuropa bei Diebstahlsdelikten sind vor allem ein massives Wohlstandsgefälle zwischen Südost- und Westeuropa, instabile gesellschaftliche Verhältnisse und erheblich marginalisierte Bevölkerungsgruppen in den Herkunftsländern, prekäre Lebensverhältnisse und ungünstige Perspektiven mancher Zugewanderter in Westeuropa sowie zum Teil grenzüberschreitend tätige Bandenstrukturen. Mit dem Zuzug von Menschen aus nordafrikanischen Staaten hatte die Zahl der wegen Diebstahls Tatverdächtigen aus diesen Ländern seit 2012 in besonders starkem Maße zugenommen. Aus der Entwicklung der absoluten Tatverdächtigenzahlen ist erkennbar, dass ein nicht präzise prozentual bezifferbarer Teil der jungen männlichen Neuzuwanderer aus Nordafrika recht bald an Diebstählen und anderen Delikten beteiligt war, um damit Einnahmen zu erzielen. Auch für diese Gruppe, bei der manche Personen bereits vor ihrer Einreise straffällig waren, und die sowohl in den Herkunftsländern als auch in Europa ungünstige Perspektiven besitzt, war dann ab 2017 ein deutlich rückläufiger Trend zu beobachten. Zuletzt ist die Zahl der Tatverdächtigen aus diesen Ländern wieder etwas angestiegen.

Mit Blick auf Gewaltdelikte ergeben sich zum Teil etwas andere Muster als bei Diebstahlsdelikten. Hinweise auf eine erhöhte Gewaltbelastung finden sich in westeuropäischen Aufnahmegesellschaften insbesondere bei männlichen Jugendlichen aus Einwandererfamilien, das heißt in der zweiten Migrantengeneration. In Deutschland war dies anhand von Kriminalstatistiken und Befragungsstudien ab den 1980er Jahren etwa bei „Gastarbeiter“-Nachkommen sowie ab Mitte der 1990er Jahre bei im Kindes- oder Jugendalter „mitgenommenen“ jungen männlichen Spätaussiedlern zu erkennen, und seit Mitte der 2010er Jahre auch bei jungen Geflüchteten. Aber auch in der ersten Generation erwachsener Zuwanderinnen und Zuwanderer sind teilweise erhöhte Gewaltrisiken zu beobachten.

Die Ursachen liegen unter anderem in schwierigen Lebensbedingungen und Bildungsnachteilen, von denen manche Migrantengruppen stärker betroffen sind. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass Männer aus stärker patriarchalisch geprägten Gesellschaften mit schwächer ausgeprägtem staatlichen Gewaltmonopol eher zu gewalttätigem Verhalten neigen können. Wie sehr diese Faktoren eine Rolle spielen, wird unterschiedlich bewertet. Einigkeit besteht aber darin, dass Pauschalurteile und einseitige Erklärungen verfehlt sind. Gewalt, zumal in schwereren Formen, betrifft auch unter zugewanderten Personen nur eine kleine Minderheit, und sie kommt auch unter Nichtmigranten vor. Insgesamt ist kulturübergreifend von einer weitgehenden Ähnlichkeit zentraler Verbotsnormen (Stehlen, Töten, Rauben etc.) auszugehen: Die große Mehrzahl der tatsächlich verübten Delikte ist sowohl im Herkunfts- als auch im Aufnahmeland gleichermaßen geächtet. Zudem ist zu bedenken, dass auch die Herkunftsgesellschaften kulturell heterogen sind, etwa was ländlich-traditionelle und städtische Regionen oder unterschiedliche Bildungsmilieus betrifft. Überdies sind traditionelle Geschlechterrollenbilder nicht pauschal mit Gewaltbereitschaft gleichzusetzen. Gleichwohl ist erkennbar, dass Vorstellungen männlicher Dominanz und familiärer Ehre, die in manchen Zuwanderergruppen stärker verbreitet sind als in der Gesamtbevölkerung, gewaltsames Verhalten in bestimmten Situationen zusätzlich begünstigen können. Unterschiede in der Gewalthäufigkeit von Zugewanderten und Nichtmigranten sind Studien zufolge zuweilen – aber nicht immer vollständig – durch ungünstigere Lebensverhältnisse zu erklären, was Raum lässt für ergänzende „herkunftsbezogene“ Erklärungen. Insbesondere wenn es um Gewaltdelikte geht, die mit der Verteidigung der männlichen oder familiären „Ehre“ begründet werden, sind solche Einflüsse plausibel.

Bei einer Unterscheidung nach Deliktsbereichen und Herkunftsländern ist in Westeuropa gegenwärtig zu erkennen, dass Migrantinnen und Migranten aus sogenannten westlichen Ländern, das heißt vor allem aus anderen „EU 12“-Ländern, über viele Deliktsbereiche hinweg häufig vergleichsweise niedrige Registrierungsraten aufweisen.

Geflüchtete und Kriminalität

Insbesondere durch den außergewöhnlich hohen Zuzug von Asylsuchenden in den Jahren 2015 und 2016 vor allem aus Interner Link: Syrien, Interner Link: Afghanistan und dem Interner Link: Irak sowie im Jahr 2022 vor allem aus der Interner Link: Ukraine hat die Zahl der in Deutschland lebenden Schutzsuchenden, einschließlich anerkannter und abgelehnter Asylbewerberinnen und Asylbewerber, zuletzt erheblich zugenommen. Sie ist zwischen 2012 und Ende 2024 von 550.000 auf knapp 3,3 Mio. gestiegen.

Bislang gibt es nur wenige wissenschaftliche Studien, die sich speziell mit Kriminalitätsrisiken bei Geflüchteten befassen. Bewertungen beziehen sich bislang in erster Linie auf Zahlen der PKS, die einer genaueren Einordnung bedürfen. So lässt sich der „Flüchtlings“-Begriff nur bedingt durch kriminalstatistische Erfassungskategorien abbilden. Die Polizeibehörden greifen in diesem Zusammenhang seit 2015 auf die bereits etablierten Tatverdächtigen-Kategorien von Asylbewerbern, Kontingentflüchtlingen, Geduldeten und illegal Aufhältigen zurück. Diese werden in den Jahresberichten und in neu geschaffenen Lagebildern nun zusammenfassend als „Zuwanderer“ bezeichnet. Seit 2017 werden in der bundesweiten Statistik zusätzlich anerkannte Flüchtlinge zu den tatverdächtigen „Zuwanderern“ gezählt. Zuvor waren diese nicht gesondert erfasst worden und gingen in die Restkategorie „Ausländer mit sonstigem legalen Aufenthalt“ ein. Gezählt werden nicht nur im jeweiligen Erfassungsjahr neu zugewanderte Personen, sondern auch Migrantinnen und Migranten, die sich bereits seit Längerem mit entsprechendem Aufenthaltsanlass – beispielsweise in einem Asylverfahren, als Geduldete oder als anerkannte Flüchtlinge – im Inland aufhalten.

Der von den Behörden gewählte, recht weite Begriff „Zuwanderer“ erfasst aber nicht alle zugewanderten Tatverdächtigen: Die Definition schließt beispielsweise zugewanderte EU-Bürgerinnen und Bürger oder Personen aus Drittstaaten, die zum Arbeiten nach Deutschland gekommen sind, aus. Umgekehrt sind unter den tatverdächtigen „Zuwanderern“ aber auch nicht ausschließlich Schutzsuchende. Gewisse Unsicherheiten ergeben sich überdies daraus, dass die Zuordnung von Tatverdächtigen zu den entsprechenden Aufenthaltsanlässen in der polizeilichen Erfassungspraxis möglicherweise nicht immer ganz zuverlässig erfolgt, insbesondere mit Blick auf die neu geschaffenen Tatverdächtigen-Kategorien. Darüber hinaus lassen sich bei „Zuwanderern“ nicht ohne Weiteres präzise relative Registrierungshäufigkeiten (Tatverdächtigenquoten) angeben, da die hierzu erforderlichen Bevölkerungszahlen gerade in Phasen hohen Zuzugs, wie etwa im Laufe der Jahre 2015 und 2022, stark schwanken und weiterhin vergleichsweise ungenau sind. Insbesondere die Zahl der Menschen, die sich illegal im Land aufhalten, kann naturgemäß nicht genau beziffert werden.

In welchen Deliktbereichen fallen „Zugewanderte“ auf?

Dennoch lassen sich anhand der Zahlen der Kriminalstatistik gewisse Grundtendenzen für die offiziell erfasste Kriminalität ablesen. So hängen Delikte von neu zugezogenen Geflüchteten häufig eng mit deren schwierigen Lebensumständen zusammen. Gegenwärtig fallen Geflüchtete meistens, wie auch schon im Rahmen des Flüchtlingszuzugs in den 1990er Jahren, durch Delikte wie leichtere Diebstähle, Fahren ohne Fahrschein, aber auch durch Körperverletzung auf.

Tabelle 1: Absolute Zahl der tatverdächtigen „Zuwanderer“ 2024 nach Deliktsbereich

Delikt Zahl der tatverdächtigen „Zuwanderer“ Anteil an allen Tatverdächtigen
Alle Delikte (ohne ausländerrechtliche Verstöße) 172.203 8,8%
Körperverletzung (ges.) 50.531 10,1%
Diebstahl (ges.) 48.184 12,1%
Beförderungserschleichung 21.461 23,0%
Betäubungsmitteldelikte 16.659 9,5%
Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung 7.514 7,9%
… davon Vergewaltigung / schwere sexuelle Nötigung 1.316 11,6%
Straftaten gegen das Leben 474 12,2%
… davon vollendete Fälle (Mord/Totschlag) 51 Fälle 9,0%

Quelle: Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik 2024, Tabelle 61 sowie Auskunft des BKA zu vollendeten Fällen Mord/Totschlag auf Anfrage des Autors, eigene Darstellung.

Gewaltdelikte von Geflüchteten

Bei Gewaltdelikten ging es insbesondere in den Jahren des starken Zuzugs, etwa 2015 und 2016, häufig um Auseinandersetzungen in Gemeinschaftsunterkünften. Wenn viele Menschen unterschiedlicher Herkunft und Aufenthaltsperspektive – darunter überdurchschnittlich viele junge Männer – auf engem Raum zusammenleben und dabei wenig Privatsphäre, eine ungewisse Zukunft, unstrukturierte Tagesabläufe und eingeschränkte Autonomie haben, führt dies leicht zu Konflikten. Häufig entzünden sich Auseinandersetzungen an alltäglichen Fragen des Zusammenlebens, zum Teil spielen dabei auch ethnische und religiöse Abgrenzungen eine Rolle. Bei Gewaltdelikten außerhalb von Flüchtlingsunterkünften dürften folgende Gründe von Bedeutung sein: Belastungen durch die Flucht und die aktuelle Lebenssituation, Frustrationserfahrungen, fehlende Beschäftigung und eine geringe Alltagsstruktur, psychische Beeinträchtigungen durch Instabilität und frühere Gewalterfahrungen, traditionelle Männlichkeitsbilder, Gruppendynamiken und eine fehlende soziale Kontrolle durch die Familie. Künftige Studienergebnisse dürften hierzu ein genaueres Bild ergeben.

Besonders stark wahrgenommen werden in diesem Zusammenhang schwerste Gewaltverbrechen, die allgemein, aber natürlich auch unter Flüchtlingen nur einen sehr kleinen Teil aller Delikte ausmachen. Die Gesamtentwicklung etwa bei Kapitaldelikten wie Mord oder Todschlag war in den letzten 20 Jahren deutlich rückläufig. So wurden insgesamt zuletzt rund ein Drittel weniger Fälle eines vollendeten Tötungsdeliktes registriert als zur Jahrtausendwende. Im Berichtsjahr 2024 ist in 51 von insgesamt 564 polizeilich aufgeklärten Fällen mindestens ein „Zuwanderer“ als Tatverdächtiger ermittelt worden. Nur einen sehr kleinen Teil dieser Tötungsdelikte machen diejenigen Fälle aus, in denen Täter mit einem terroristischen Motiv oder als Amoktäter Menschen töten. In beiden Konstellationen kann auch eine psychische Störung vorliegen. Ein Teil der islamistisch motivierten Taten in europäischen Ländern ist in jüngerer Zeit durch Geflüchtete – häufig in prekärer Lebenssituation und mit psychischen Belastungen – verübt worden, etwa bei den Taten im Jahr 2024 in Mannheim und Interner Link: Solingen sowie 2025 in München. An Amoktaten (etwa an Schulen, aber auch an anderen öffentlichen Orten) waren Migrantinnen und Migranten bislang anteilig eher seltener beteiligt. Kurzfristig kann es bei alledem insbesondere mit Blick auf den Tatmodus (etwa Messerangriff oder Kfz-Attacke) zu gewissen Nachahmungseffekten kommen. Insgesamt ist hier von Bedeutung, dass Menschen adäquat sozial eingebunden werden und das soziale Umfeld Anzeichen für eine Radikalisierung, Gewaltankündigungen usw. rechtzeitig wahrnimmt.

Sexualdelikte

Mit Blick auf Sexualdelikte sind die registrierten Fallzahlen seit 2017 infolge der im November 2016 in Kraft getretenen weitreichenden Gesetzesänderungen in diesem Bereich nicht ohne Weiteres mit denen der Vorjahre vergleichbar: Es sind nun Verhaltensweisen als Sexualdelikt strafbar, bei denen dies zuvor nicht der Fall war. Auch das Anzeigeverhalten kann durch die intensiven öffentlichen Debatten verstärkt worden sein. Der Anteil tatverdächtiger „Zuwanderer“ an allen Tatverdächtigen bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung betrug insgesamt im Jahr 2024 7,9 Prozent, bei Vergewaltigung, schwerer sexueller Nötigung und sexuellem Übergriff im besonders schweren Fall 11,6 Prozent.

Die Entwicklung der Fallzahlen war in diesem Bereich im Zeitraum 2000 bis 2025 eher stabil teilweise auch deutlich rückläufig. Dies gilt etwa für die bis 2017 gesondert als „überfallartig“ klassifizierten Vergewaltigungs- bzw. schweren sexuellen Nötigungsdelikte: so gab es im Jahr 2000 2.493 Fälle, 2017 dann 1.068 Fälle, mit einer zwischenzeitlichen Zunahme auf 1.357 Fälle im Jahr 2016 infolge der Übergriffe in der Silvesternacht 2015/16. Bei diesen Delikten ist der Anteil von ausländischen Staatsangehörigen/Geflüchteten überdurchschnittlich hoch. Gleichwohl fällt unter allen ausländischen Staatsangehörigen/Geflüchteten nur ein äußerst kleiner Teil mit schweren „überfallartigen“ Sexualdelikten auf (absolute Zahl ausländischer Tatverdächtiger als „Einzeltäter“ 2017: 265; aus Gruppen: 55). Bei alledem ist zu bedenken, dass die Mehrzahl der Sexualdelikte nicht überfallartig durch einen fremden Täter begangen, sondern im sozialen Nahbereich verübt werden. Sowohl bei Einheimischen als auch bei Geflüchteten dürfte im häuslichen/privaten Umfeld beziehungsweise wohl auch in Gemeinschaftsunterkünften ein vergleichsweise großes Dunkelfeld bestehen.

Seit 2022 ergaben sich bei den Gesamtfallzahlen für bestimmte offiziell erfasste Sexualdelikte (insbesondere bei sexueller Belästigung) Zunahmen, die wohl nicht allein auf Gesetzesveränderungen zurückzuführen sind. Inwieweit sich hierin eine tatsächliche Zunahme entsprechender Fälle oder eine größere Anzeigehäufigkeit niederschlägt, wird erst noch durch Dunkelfeldbefragungen zur Opferwerdung und zum Anzeigeverhalten analysiert werden müssen; Befunde zum Zeitraum seit 2022 stehen bislang noch aus.

Entwicklungen von 2015 bis 2024

Insgesamt sind die absolute wie auch die relative Zahl der polizeilich registrierten Straftaten – bei Letzterer geht es um die aussagekräftigere „Kriminalitätshäufigkeitsziffer“ (KHZ) der Straftaten pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner – bis 2019 kaum angestiegen; in vielen Deliktsbereichen, etwa Diebstahl oder Raub, war sie sogar weiter rückläufig. Seit 2022 sind die Raten der offiziell erfassten Fälle wieder etwas angestiegen; zugleich lag die KHZ etwa für Raubtaten im Jahr 2024 mit 52 immer noch deutlich unter dem Höchstwert von 85 im Jahr 1997 sowie noch leicht unter dem Wert von 56 des Jahres 2014. Auch die KHZ für vollendete Tötungsdelikte liegt mit 0,7 Fällen je 100.000 Einwohner auf einem historisch niedrigen Niveau. Das zuweilen gezeichnete Bild einer mit dem Flüchtlingszuzug einhergehenden dramatischen Kriminalitätsentwicklung wird durch diese Zahlen nicht gestützt. Dass die Gesamt-Kriminalitätsraten durch Zuwanderung generell nur bedingt beeinflusst werden, zeigen deutsche wie auch internationale Untersuchungen. Dies ist schon deshalb der Fall, weil Neuzuwanderer jeweils nur einen kleinen Teil der Gesamtbevölkerung ausmachen.

Dessen ungeachtet haben die Zahl und der Anteil der Delikte, bei denen mindestens ein „Zuwanderer“ als Tatverdächtiger erfasst worden ist, im Einklang mit der starken Zunahme des Zuzugs von Asylsuchenden zwischen 2014 und 2016 kontinuierlich zugenommen. Seit 2017 ist die absolute Tatverdächtigenzahl bei „Zuwanderern“ im Bereich von Diebstahlsdelikten wieder deutlich unter die Zahl von 2015 zurückgegangen, bei Gewaltdelikten deutete sich ab 2019 ein rückläufiger Trend an. Beide Zahlen sind ab 2022 wieder angestiegen, auch einhergehend mit der erheblichen Neuzuwanderung in diesen Jahren: Die Zahl der Schutzsuchenden in der Bevölkerung ist zwischen Ende 2021 und Ende 2023 von 1,9 Mio. auf 3,2 Mio. gestiegen.

Auffällig ist, dass anerkannte Flüchtlinge bislang, in Relation zu ihrem Bevölkerungsanteil, vergleichsweise selten als Tatverdächtige registriert worden sind. Auch wenn hier genauere Analysen – auch zur Zuverlässigkeit der Erfassung in dieser neu eingeführten Erhebungskategorie – noch ausstehen, steht dies durchaus im Einklang mit ausländischen Befunden, und es findet in ersten eingehenderen deutschen Analysen zur Bedeutung des Aufenthaltsstatus für Kriminalitätsrisiken Bestätigung. Dies erscheint theoretisch plausibel, schließlich geht es dabei doch um diejenigen, deren Lebenssituation sich tendenziell verbessert hat und deren Perspektiven vergleichsweise günstig sind.

Insgesamt werden „Zuwanderer“ häufiger als Tatverdächtige registriert, als es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht. 2024 stellten sie 8,8 Prozent der Tatverdächtigen (ohne ausländerrechtliche Verstöße). Der Bevölkerungsanteil kann allerdings nur grob auf knapp 4 Prozent geschätzt werden, insbesondere die Gesamtzahl der sich illegal im Land aufhaltenden ausländischen Staatsangehörigen kann naturgemäß nicht genau beziffert werden. Die größere Registrierungshäufigkeit ist zu einem gewissen Teil – aber nicht nur – darauf zurückzuführen, dass die „Zuwanderer“-Bevölkerung einen deutlich höheren Anteil junger Männer in einem allgemein „kriminalitätsrelevanten“ Alter aufweist als die Gesamtbevölkerung. Zum Vergleich: Unter allen Asylerstantragstellenden im Jahr 2024 waren 32,8 Prozent Männer im Alter von 16 bis 29 Jahren, in der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund lag deren Anteil laut Mikrozensus 2023 bei grob 7,2 Prozent. Überdies ist zu bedenken, dass Delikte von Menschen, die sich in Gemeinschaftsunterkünften aufhalten, möglicherweise etwas häufiger bekannt werden als Delikte, die von Menschen in verfestigten Lebensverhältnissen verübt werden. Insgesamt gibt es unter Geflüchteten, wie auch in der Gesamtbevölkerung, einen kleinen Teil von Hochbelasteten, während die große Mehrheit nicht straffällig wird. Allerdings ist die Tatverdächtigenrate unter Geflüchteten alles in allem etwa zwei- bis dreimal höher als in der Gesamtbevölkerung.

Unterschiede nach Herkunftsländern

Bei alledem sind zum Teil deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Herkunftsgruppen zu erkennen. Während der Deliktsschwerpunkt bei Kriegsflüchtlingen aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan eher bei Gewaltdelikten liegt, fallen diese relativ betrachtet bislang vergleichsweise selten durch Straftaten zur Erzielung von Einnahmen wie Diebstähle, Raub oder Drogenhandel auf. Hier haben junge Zuwanderer aus nordafrikanischen Ländern, aus Georgien, aber zum Teil auch aus bestimmten Subsahara-Staaten die höchsten Anteile. Auch unter den Mehrfachauffälligen sind diese Gruppen tendenziell stärker vertreten.

Plausible Erklärungen hierfür beziehen sich auf soziodemografische Unterschiede in der Zusammensetzung der verschiedenen Herkunftsgruppen, auf vermehrte Vorerfahrungen mit Instabilität und Gewalt unter Kriegsflüchtlingen, sowie auf mangelnde Perspektiven für viele junge Zuwanderer etwa aus Nordafrika, einen Aufenthaltsstatus zu erhalten, der ihnen einen längerfristigen Verbleib in Deutschland ermöglicht und es ihnen erlaubt, einen Integrationskurs zu besuchen und zu arbeiten. Manche Personen, die mehrfach straffällig geworden sind, waren Berichten von Praktikerinnen und Praktikern zufolge bereits vor ihrer Zuwanderung an Straftaten beteiligt und sind für Polizei, Justiz und Sozialarbeit nach aktuellen Eindrücken nur schwer erreichbar – auch, weil sie wenig zu verlieren haben.

Präventionsmaßnahmen

Bei Asylsuchenden, die voraussichtlich einen Schutzstatus erhalten und damit in Deutschland bleiben werden, sollten lange Phasen eines unsicheren Aufenthaltsstatus, Passivität und gewaltbegünstigende Formen der Unterbringung vermieden werden. Kontakte zur Gesellschaft und Zugänge zum Arbeitsmarkt sind hier ebenso von Bedeutung wie die Früherkennung und Behandlung etwaiger psychischer Belastungen. Mit Blick auf die Kinder spielen Kindertagesstätten und Schulen eine Schlüsselrolle, werden hier doch Teilhabechancen sowie eine Bindung an die Gesellschaft und deren Werte und Normen vermittelt.

Bei Asylsuchenden mit zunächst geringer Bleibeperspektive stellt sich die Frage, ob diese aus migrationspolitischen Erwägungen – wie etwa zur Abschreckung weiterer unerwünschter Zuwanderung – von Integrationsmöglichkeiten völlig auszuschließen sind. Ein Teil wird in die Herkunftsländer zurückkehren, bei manchen wird sich der Aufenthalt jedoch nach den Erfahrungen früherer Jahre womöglich verstetigen. Ein langer Aufenthalt in separierten (Gemeinschafts-)Unterkünften, Kettenduldungen und ein Ausschluss etwa vom Arbeitsmarkt können dann ein langfristiges Leben am Rande der Gesellschaft befördern. Ein Beispiel sind kurdische und palästinensische Zugewanderte aus libanesischen Flüchtlingslagern, die heute in einigen deutschen Großstädten leben: Studien zufolge hat neben dem spezifischen soziokulturellen „Gepäck“ von bereits ausgeprägten patriarchalen, familial-kollektivistischen Orientierungen die restriktive Flüchtlingsintegrationspolitik der 1980er und 1990er Jahre – mit lange Zeit ungesichertem Aufenthaltsstatus, Ausbildungs- und Arbeitsverboten in der Erwartung der baldigen Rückkehr – bei einem Teil der Betroffenen zur Entwicklung und Vertiefung von Clanstrukturen und Kriminalität, etwa in den Bereichen Drogenhandel und Schutzgelderpressung, beigetragen.

Weitere Inhalte

Dr. Christian Walburg ist Rechtswissenschaftler und Kriminologe. Er forscht an der Deutschen Hochschule der Polizei zum Thema Migration und Kriminalität.